Künstliche Freundin und Leistungsgesellschaft


… oder wie weit würdest Du für die Zukunft deines Kindes gehen?


Ein Roman von Kazuo Ishiguro


  Von Marc Schaumburg-Ingwersen                      17. April 2021.  

Die Erzählerin in Kazuo Ishiguros neuen Roman ist eine KF ( Künstliche Freundin ) namens Klara, die geschaffen wurde, um einem Kind eine Begleiterin und gute Freundin zu sein. Klara wirft einen von ihrem Platz im Schaufenster einen kühlen Blick auf die Menschheit und ihren Optimierungswahn, der nicht einmal vor den eigenen Kindern halt macht. Dabei erforscht Ishiguro die menschliche Natur und sucht nebenbei nach der Existenz der Liebe.


Schon immer habe ich mich für die Themen Künstliche Intelligenz und Robotik interessiert. So kommt man auch nicht daran vorbei, über die ethischen, moralischen und sozialen Folgen dieser Technologien nachzudenken. Werden Roboter uns irgendwann ersetzen? Als Freunde, als Arbeitnehmer, als Liebhaber? Kann eine künstliche Intelligenz das Nachbilden, was wir als Seele bezeichnen. Sind wir Menschen am Ende vielleicht gar nicht so einzigartig und besonders wie wir uns das alle wünschen? All diesen Fragen geht Ishiguro nach und gibt dabei keine einfachen Antworten. Das ist auch gut so, denn so bleibt einem Raum sich seine eigene Meinung zu bilden.


Ein Thema hat mich allerdings besonders angesprochen: Wie weit gehen Eltern um ihren Kindern die best möglichste Zukunft zu ermöglichen? Als Vater von vier wundervollen Kindern, ergibt sich zu dem Verhalten von Josies Mutter daher ein gänzlich anderer Zugang. Man will das beste für seine Kinder und ist bereit unendlich weit dafür zu gehen. Und eben jene neue Techniken geben uns dabei ganz andere Möglichkeiten an die Hand. Möglichkeiten, die zwar in ihrer Grausamkeit schreckliche Wirkungen entfalten können, denen wir aber dennoch den ein oder anderen Gedanken widmen. Würde ich selber so weit gehen? Und wenn, um welchen Preis? Vor allem wenn wir wissen, dass das Leben unserer Kind ansonsten auf eine Weise verläuft, die man selbst hätte beeinflussen können. Jeder, der schon einmal ein Kind auf einer weiterführenden Schule anmelden musste, weiß von solchen Gedanken.


Doch ist es das alles wert? Ist dieser Optimierungswahn unserer Leistungsgesellschaft es wert, unseren Kindern die eigenen Entscheidung abzunehmen oder sogar ihr Leben zu riskieren? Machen wir sie damit nicht zu selbst zu Maschinen, die keine Chance haben ihren eigenen Weg zu entdecken? Und wäre da nicht das soziale Dilemma, dass den Aufstieg der einen bedeutet. Denn wo es Gewinner gibt, da gibt es auch Verlierer. Und somit geht dieses Buch auch ein Thema an, dass in meinen Augen, eines der größten Aufgaben in Zukunft sein wird: Bildung für alle zu ermöglichen und zu sichern. 


Die Lektüre dieses Buch hat mich wirklich mitgenommen und ich kann mich nicht freisprechen von Gedanken, die mein Gewissen mir verbietet, die ich jedoch denken musste. Aber ist nicht genau das, was gute Literatur leisten sollte. 

© 2021 Marc Schaumburg-Ingwersen

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